28. Mai 2024
Wer auch immer sich festhielt. Solche Halbsätze werden oft nicht beendet. Manchmal sind sie das Ende. Wir erfahren nicht mehr, woran der Mensch seinen Halt suchte. An einem anderen Menschen? Mag sein, sie hielten sich gegenseitig. Wurden verweht. Lagen sie dort, wo der Fingerhut wächst? Der erste Plural: Adam und Eva. Du und ich. Vergänglich ansonsten wie Jahreszeiten. Fremde bunte Kristalle. Mit halben Sätzen, die ihren Anfang suchen. So kehren wir wieder, ohne uns aneinander erinnern zu...
10. Juni 2022
Was traurig stimmen wird: Je freier eine Entscheidung ist, umso weniger verändert sie den Menschen. Viele glauben, sich verändern zu müssen, um glücklich zu werden. Die Freiheit verändert nichts. In einem Lied von Kris Kristoffersen ist sie nur ein anderes Wort. Ein Raum, in dem Sachen herumstehen, die man nicht mehr verlieren kann. Es geht aber nicht um Sachen. Anders werden sollen Gefühle. Gefühle entstehen in Umarmung oder Gedrängtheit. Lust und Mangel sind nicht frei. Sie führen in...
03. Juni 2022
Ich erhielt einen Anruf von einem alten Bekannten. Er ist Musiker und berichtete, dass er nunmehr in einer Polka-Kapelle spielt. „Das ist zum Geld verdienen“, führte er aus. „Wir haben jede Menge Auftritte. Volksfeste, Kurkonzerte. Solche Sachen eben. Sag mal, schreibst du noch diese lustigen Texte?“ Ich hätte meine Texte niemals als „lustig“ bezeichnet. Nun ist man als Autor aber auch wenig geeignet, seine Werke objektiv beurteilen zu können. „Warum fragst du?“, fragte ich....
08. August 2021
Ich trug sie mit mir herum, die Zweideutigkeit jeder Zuneigung. Sie hatte sich zu Versen geformt. Unabhängig davon folgte ich dem Aufruf zu einem Klassentreffen. Dort trafen sich frühe Abenteuer und späte Einsichten. Unbemerkt und getragen von tiefen Blicken in Gläser und Seelen entsann ich mich meiner Verse. Heiter schienen sie mir gewesen zu sein. So beschloss ich, sie einer anwesenden Dame vorzutragen: Ich freu mich immer noch, dass du auf der Welt bist, auch wenn du selten mehr als...
22. Juli 2021
Die kleine Bar lag an der Strandpromenade. Sie gehörte zu irgendeinem Hotel. Ich saß am Klavier. Auf dem Klavier stand ein alter Leuchter. Es war der Abend eines Tages, an dessen Morgen ich aus verschiedenen Gründen eine Flasche zähflüssigen Likörs getrunken hatte. Danach war ich lange Zug gefahren. In der Bar saßen sechs oder sieben Gäste. Ein Hotelmanager redete mit dem Barkeeper. Ich hatte zwei Stücke gespielt. Draußen wurde es dunkel. „Ich möchte mich vorstellen“, sagte ich...
25. April 2021
Erik Wilson erwähnte im Feuilleton eine Band, die in einer geschlossenen Kneipe probte. Später gab es die Bemerkung, dass er dort Aufnahmen gemacht hat. Es war ein Abschiedslied. Der Wirt und die Musiker sagten Adieu. Die Flaschen klirrten leise mit. Wer sich von wem verabschiedete, blieb unklar. Möglicherweise war ein Leben gemeint. Bilder fielen von der Wand und der Dartautomat blinkte. Zum Schluss wuchs ein Blümelein. Das mag sentimental erscheinen. Trotzdem: Einer Blume ist es egal,...
31. März 2021
Zum ersten Mal spielte ich diese Sonatine, als ich zehn oder elf Jahre alt war. Ich spielte das Stück in einem Kulturhaus in Vorpommern. Es war irgendein regionaler Wettbewerb oder Ausscheid. Eine vage Ahnung in mir bezweifelte, dass man Musik um die Wette spielen soll. Die Jury bestand aus Lehrern, die ihr Urteilsvermögen am Tresen der zum Haus gehörenden Kneipe schärften. Sie drückten mir eine Urkunde und einen Büchergutschein in die Hand. Dafür musste ich am nächsten Wettbewerb...
22. Februar 2021
Am Ende der Geschichte „Fliegende Fische“ beginnt der Erzähler zu ahnen, dass er auf einem Boot unterwegs war, das größere Mengen weißen Pulvers aus der Karibik nach Amerika gebracht hatte. In Key Lorga, einer fiktiven Ortschaft zwischen Miami und Key West, ist die Stimmung aufgekratzt. Der Mann merkt es später, nachdem sein Bericht beendet ist, während der Arbeit in der Pilotlounge. Er merkt es am Trinkgeld und den Wünschen. So gut wie möglich spielt er die erbetenen Songs auf dem...
16. Januar 2021
Ich war beseelt von dem Wunsch, auf die lizenzlose Verwertung fremdgeistigen Eigentums zu verzichten. Einmal sah ich in einem Film, wie ein Mann von einer Eisenbahnbrücke sprang. Er landete im Kiesbett eines offenen Güterwaggons. Alles das gelang ihm ohne die Verwendung bekannter Melodien. Es war ein Treffen mit einer wildfremden Person. „So kenne ich mich gar nicht“, murmelte der Mann. Die Kamera zeigte sein Gesicht in Nahaufnahme. Er hatte die Begegnung überlebt, es war ein blind date,...
03. Januar 2021
Für das neue Jahr kann man sich vieles wünschen. Was wünscht man sich für das alte? Wir wissen noch lange nicht, wie es ausgehen wird. Es ist ein Anagramm, ein Rätsel, bei dem die vorgegebenen Sätze nur eine Scheinaussage formulieren. Aus den vorhandenen Buchstaben lässt sich ein anderer Text bilden. Wir überlassen es dem Leser oder Mr. Sickfreak, in dem folgenden Gedicht willkürlich Zeilen zu vertauschen. Das ist eine Empfehlung von William Burroughs. Ausprobieren ist ein...